Meine Gefühle gehören mir! (Kommunikation #1)

Stolz erzählte mir Patrick, wie er seiner Freundin jeweils beistand, wenn sie sich in einem Tief befand. Unter Beistehen verstand Patrick das Wiederaufmuntern seiner Freundin, wie ich auf Nachfragen herausfand. Er half ihr dadurch ihre negativen Gefühle zu vergessen. Sein Beistehen kostete ihn zwar Energie, war ihm aber ein zentrales und wichtiges Prinzip im Umgang mit seinen Mitmenschen. Ich fragte ihn, ob er durch sein Verhalten die Gefühle seiner Freundin wegzunehmen versuche, um dadurch selber wieder in einen angenehmeren Zustand zurück zu finden.

Hintergrund: Mein Unwohlsein

Vom Trösten von Kindern (‚Du musst nicht weinen‘), zum Aufmuntern von Erwachsenen (‚Das wird schon wieder/ist nicht so schlimm‘) bis zum Umgang mit sich selber (‚Ich darf nicht wütend sein!‘), hat sich das Wegnehmen und Nicht-Zugestehen von Gefühlen in viele Arten des Beistehens hineingeschlichen. Wir sehen unser Tun oft als Nächstenliebe oder Empathie, obwohl wir, und nicht unser Gegenüber, im Zentrum der Veränderung steht: die aktive Unterstützung und Hilfe nutzen wir zur Verminderung unseres eigenen Unbehagens. Wir versuchen, die Gefühle der Person gegenüber so zu verändern, dass wir wieder in die Komfortzone des Miteinanders zurückkehren kann.

Nach einigen Monaten der wiederkehrenden depressiven Phasen erzählte mir Celine davon, dass ihr Freund sie in diesen schwierigen Momenten mit Vorschlägen für Tätigkeiten eindecke, mit der Idee, sie aus diesem Gefühl heraus zu befördern, so dass es ihr wieder besser gehe. Was im ersten Moment als selbstlose und unterstützende Haltung betrachtet werden kann, entpuppt sich auf den zweiten Blick als Selbstlüge: Celine’s Freund kommt nur schwer mit der Situation zurecht und da er sich nicht selber ändern kann oder will, versucht er, sie so zu befriedigen, dass zuerst sie wieder in einen besseren Zustand zurück findet, so dass er selber letztlich wieder einen angenehmeren Zustand erreicht.

Resultat: meine Gefühle sind abhängig von Deinen

Wenn wir unser Wohlergehen vom Zustand einer anderen Person abhängig mache, geben wir dadurch die Verantwortung für unsere eigenen Gefühle ab. Zudem teilen wir der betroffenen Person bewusst oder unbewusst mit, dass ihr momentaner Zustand nicht dem optimalen Zustand entspricht. Zusätzlich machen wir unser (Un)wohlsein von der anderen Person abhängig. Diese Abhängigkeit kann in einer aufgeschobenen Schuldzuweisung enden, das schlechte Gewissen der betroffenen Person nähren und zu einer nicht authentischen Beziehung führen.

Auflösung: Verantwortung übernehmen, transparent sein

Eine authentische Beziehung findet dann statt, wenn ich Verantwortung für meine eigenen Gefühle übernehme (‚Ich bin mit der Traurigkeit überfordert‘) und jede Person so sein kann, wie sie ist (z.B. traurig oder überfordert), ohne sich verändern zu müssen. Auch – oder genau dann umso mehr – wenn das Aushalten einer Situation schwierig ist.
Die Herausforderung besteht darin, sich selber darin zu schulen, aufmerksam zu werden, wenn sich ein Ich-Helfe-Dir-Denn-Dadurch-Helfe-Ich-Mir-Automatismus anbahnt. Erst nachdem ich mir meiner selbst bewusst geworden bin, kann ich entscheiden, wie ich der anderen Person gegenüber treten möchte. In einer Zeit, in welcher viele Menschen dem Glück hinter her jagen, haben wir verlernt, wie wir anderen Menschen in weniger glücklichen Momenten hilfreich beistehen können.

Beispiele

  • Partner/Kind weint: „Es ist ok, wenn Du traurig bist und weinst.“
  • FreundIn suhlt sich im Selbstmitleid: „Ich bin überfordert mit der Art wie Du mit dem Thema umgehst. Ich kann Dir im Moment nicht beistehen.“
  • Ich habe starke (negative) Gefühle: „Jetzt ist gerade … in mir spürbar.
Thomas
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