Wenn ich dich bitte, mir zuzuhören und du anfängst, mir Ratschläge zu geben, hast du nicht das getan, worum ich dich gebeten habe.

Wenn ich dich bitte, mir zuzuhören, und du fängst an, mir zu erklären, warum ich mich nicht so fühlen sollte, trampelst du auf meinem Gefühlen herum.

Wenn ich dich bitte, mir zuzuhören, und du meinst, du müsstest etwas tun, um mein Problem zu lösen, liegst Du daneben, so sonderbar das scheinen mag.

Ich bitte dich nur, mir zuzuhören, nicht zu reden oder zu handeln, nur mich anzuhören.

Ratschläge sind billig: für ein paar Franken sind sie in jeder Illustrierten und jeder Zeitung zu haben. Ich kann für mich selbst sorgen, ich bin nicht hilflos, eher entmutigt oder unsicher, aber nicht hilflos. Ich kann für mich selbst handeln. Wenn du etwas für mich tust, das ich für mich selbst tun kann und auch tun sollte, trägst du eher zu meiner Angst und Schwäche bei.

Aber wenn wahrnimmst und annimmst, dass ich gerade das fühle, was ich fühle, gleichgültig, wie unvernünftig es erscheinen mag, dann kann ich aufhören, dich überzeugen zu müssen und kann mich eher damit befassen, was hinter meinen Gefühlen steckt… und wenn das klar ist, sind die Antworten auch klar und ich brauche keine Ratschläge.

Gefühle, die irrational erscheinen, ergeben einen Sinn, wenn wir verstehen, was hinter ihnen steckt. Vielleicht ist das der Grund, dass Gebete einigen Menschen helfen, weil Gott stumm bleibt und keine Ratschläge gibt oder versucht, Dinge in Ordnung zu bringen, sondern einfach nur zuhört und Dich deine eigenen Erfahrungen machen und Antworten finden lässt.

Also: bitte höre mir zu, und wenn du etwas erzählen möchtest, warte einen Moment: dann werde ich dir zuhören.

~Unbekannter Autor (angepasst von mir)

Hör mir zu

Thomas
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2 Comments

  1. Froggy

    Dieser Dichter meldet ganz schön unverschämte Forderungen an. Ich soll mich also hundertprozentig nach seinen Wünschen verhalten, denn sonst trample ich auf seinen Gefühlen herum. Nachher wird er mir zuhören. Aber bitte nicht auf die Weise, die er selber so strikte einfordert! Ich möchte mit einem Menschen sprechen, nicht mit einem Gefäss. Bei einem Zuhörer suche ich authentische Reaktionen, auch mal eine zweite Meinung. Nicht nur Schweigen und abnicken.

  2. Froggy

    Ich hätte einen anderen Vorschlag:

    Schreib es auf!

    Schreibe Deine Probleme auf ein Stück Papier oder tippe sie in ein Text-Editor-File. Schreibe alle Deine Gedanken auf, und mögen sie noch so unwichtig und nebensächlich scheinen.. Liste die Plus- und die Minus-Punkte Deiner Lösungen für das Problem auf. Dies wird Dir helfen, Deine Gedanken zu ordnen.
    Das Papier wird Dir keine Ratschläge geben und Dir nicht erklären, was Du fühlen sollst.
    Es wird nicht reden und nicht handeln, es wird nur neutral alles aufnehmen, was Du ihm anvertraust.
    Und dies solange Du willst.
    Perfektes, einfühlsames Zuhören ist sehr anstrengend für einen Menschen.
    Es ist nicht unbedingt ein Vergnügen für den Zuhörer, was Du einforderst, sondern harte Arbeit.
    Länger als fünf Minuten wird er Deinen Gedanken nicht folgen können. Und Dein Zuhörer ist meistens so sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt, dass er kaum die Kraft hat, sich auch noch mit Deinen Problemen zu beschäftigen.
    Was gesagt wurde, ist Schall und Rauch. Ist verloren.
    Was Du aufgeschrieben hast, das kannst Du immer wieder lesen. Und Du wirst staunen, was für Erkenntnisse Du gewinnen wirst, wenn Du Dir das Aufgeschriebene nach einiger Zeit wieder ansiehst.
    Wenn Du Dein Problem aufgeschrieben hast, kannst Du gerne noch mit einem Menschen darüber sprechen.
    Um andere Ansichten, andere Meinungen einzuholen.
    Nach dem Aufschreiben wirst Du Deinen Zuhörer wahrscheinlich weniger fordern müssen… Da Du das Wesentliche schon mir Dir selber besprechen konntest.

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